Seit einigen Monaten besitze ich das Teleobjektiv Sony SEL-70350 F4,5-6,3 G OSS. In diesem Testbericht möchte ich das Objektiv genauer anschauen und meine Erfahrung teilen. Der Kauf entstand aufgrund des Wunsches, auch weiter entfernte Objekte fotografieren zu können. Konkret gesagt wollte ich Vögel und andere Wildlife-Objekte fotografieren. Mit meinem bisher genutzt Sony SEL-55210 war das eher nicht möglich, da ich damit nicht nah genug heran komme.
Eigenschaften des Sony SEL-70350
Das für APSC-Kameras gebaute Objektiv bietet eine Brennweite von 70mm bis 350mm. Rechnet man den Cropfaktor von Sony-APSC mit 1,5 dazu, kommt man auf eine für Kleinbild umgerechnete Brennweite von 105mm bis 525mm. Das ist im Prinzip schon ein ganz ordentlicher Wert. Ich hatte nämlich auf 600mm-Objektive geschielt, die von vielen Tierfotografen eingesetzt werden. Doch erstens gibt es davon nicht viele, zweitens sind sie sehr teuer und drittens sehr schwer. Auf alternative Objektive gehe ich weiter unten noch ein.
Neben der für zum Beispiel Tierfotografie guten Brennweite bietet die Linse einen Bildstabilisator, der sich per Knopfdruck an der Seite des Objektivs zu- oder abschalten lässt. Das ist besonders hilfreich, wenn viel vom Stativ fotografiert oder für Landschaftsaufnahmen mit längeren Belichtungszeiten fotografiert wird. Denn dann kann es sinnvoll sein, den Bildstabilisator auszustellen. Weiterhin kann am Gehäuse zwischen Autofokus und manuellem Fokus umgeschaltet werden. Darüber hinaus gibt es einen weiteren, frei programmierbaren Button.
Eine aufgedruckte Skala zeigt die gewählte Brennweite an. Daneben befindet sich ein Lock-Button, mit dem die gewählte Brennweite fixiert werden kann. Wahrscheinlich soll das dazu dienen, dass das Objektiv beim Gehen nicht ungewollt ausfährt. Das passierte bisher bei meinem Objektiv aber nicht, da der Widerstand von Haus aus schon ausreichend eingestellt ist.
Schärfe, Bildqualität, Bokeh, Abbildungsfehler
Das Wichtigste an einem Objektiv ist natürlich die Bildqualität. Ich habe in diesen Artikel ein paar Fotos eingebunden, die mit dem Sony SEL E70-350 geschossen wurden. So kannst du dir selbst ein Bild machen kannst. Ich würde die Qualität als sehr gut bezeichnen. Das Kürzel „G“ im Namen vergibt Sony auch nur für hochqualitative Linsen. Im Vergleich zum Sony SEL-55210 ist ein deutlicher Unterschied zu sehen, welchem ich eher eine mittelmäßige Bildqualität attestieren würde. Der neue große Bruder ist deutlich schärfer und bringt die Farben besser auf den Sensor. Abbildungsfehler wie chromatische Aberrationen sind praktisch nicht vorhanden. Ebenso verhält es sich mit der Vignettierung: eine klare Vignette ist kaum zu sehen, wenn überhaupt nur minimal. Mit der Schärfe ist es wie bei vielen Objektiven. Offenblendig sind die Randbereich etwas unschärfer als bei Blende F8 oder F9. Da das jedoch fast immer so ist, werte ich das nicht als negativen Punkt, denn die Unterschiede halten sich wirklich in Grenzen.
Auch das Bokeh ist sehr weich und smooth. Zwar ist es mit der Blende von f4,5 – f6,3 nicht das lichtstärkste Teleobjektiv. Dennoch bekommt man bei höheren Brennweiten und viel Entfernung von Objekt zum Hintergrund ein wunderschönes Bokeh. Das Sony SEL-70350 eignet sich damit auch sehr gut für Portraitaufnahmen.
Autofokus und meine Erfahrungen mit dem Sony E 70350
Der Bildstabilisator funktioniert sehr gut. Zum Testen habe ich mehrmals Testaufnahmen mit und ohne eingeschaltetem Bildstabilisator gemacht. Der Unterschied war wie erwartet groß. Gerade bei Nutzung der kompletten Brennweite, wenn die Offenblende bei F6.3 liegt und die Verschlusszeit entsprechend runter geht, wird der Bildstabilisator wichtiger und regelt sehr gut. So sind noch aus der Hand Verschlusszeiten von bis zu 1/50 Sekunden möglich (bei ruhigem Motiv).
Das Thema Autofokus finde ich bei Teleobjektiven besonders wichtig. Denn in der Regel hat man keine Zeit, um manuell zu fokussieren. Da kann das Tier, Rennauto oder ähnliches längst wieder weg sein. Der Autofokus vom Sony SEL-70350 hat sich im Test und in der häufigen Benutzung keine Blöße gegeben. In der Regel wird das Objekt schnell gefunden und fokussiert. Manchmal fährt der Fokus dabei einmal durch die gesamte Brennweite. Das geht aber recht schnell. Zum Vergleich: das Sigma 100-400 hat dafür deutlich länger gebraucht und gegen das Sony verloren. Weiterhin ist der Fokus sehr leise, man hört den Motor nicht. Ich habe kein Fokus-Pumpen feststellen können und bin entsprechend sehr zufrieden. Einzig im AF-C-Modus (Continuous-Autofokus), also wenn der Fokus einem sich bewegenden Objekt folgen soll (z.B. einem fliegenden Vogel), muss man schon genau arbeiten, um das Objekt scharf zu bekommen. Das kann aber auch an meiner Kamera liegen (oder am Fotografen…). Die Sony A6000 hat natürlich nicht so einen super Autofokus wie die neueren Modelle der A6xxx-Reihe, etwa A6400 oder A6600.
Meiner Meinung eignet sich das Glas sehr gut für die Tierfotografie. Man kommt mit der Brennweite nah genug heran, auch wenn es natürlich immer noch etwas näher sein könnte. Schärfe und Bildqualität sind für meinen Geschmack sehr gut in dieser Preisklasse. Einer der größten Vorteile liegt jedoch in dem geringen Gewicht von 625g und der kompakten Größe. Denn die Gefahr bei Teleobjektiven ist immer, dass man zu faul ist, sie mitzunehmen. Eben weil sie groß und schwer sind. Das macht das Sony SEL-70350 besser: du wirst es wahrscheinlich immer dabei haben. Und das ist Gold wert, wenn du es gerade brauchst. Ich habe das vergleichsweise geringe Gewicht wirklich zu schätzen gelernt. Denn wenn du minutenlang mit der Kamera im Anschlag auf die Bewegung eines Tieres wartest, dann ist geringes Gewicht von Vorteil. Der Arm wird nicht müde und die Bilder entsprechend schärfer.
Die Bedienung des Objektivs ist angenehm, etwa das Drehen am Zoom-Ring, der einen angenehmen Widerstand besitzt. Die Knöpfe sind gut erreichbar und schnell verstellt. Etwas schade ist, dass der Ring für den manuellen Fokus keinen Anschlag besitzt. Das ist man von anderen Sony-Objektiven ebenfalls gewöhnt.
Zubehör
Eine passende Sonnenblende wird mitgeliefert. Diese ist ausreichend groß dimensioniert, passt aber dennoch locker in gängige Fototaschen. Wie üblich sind auch die Objektivdeckel für vorn und hinten dabei.
Einen passenden Telekonverter, der die Brennweite noch vergrößern würde, gibt es bisher leider nicht. Aber da das Sony SEL-70350 erst Ende 2019 auf den Markt gekommen ist, besteht Hoffnung. Vielleicht bringt Sony noch einen passenden Konverter heraus, zu wünschen wäre es.
Alternativen zum Sony SEL-70350G
Teure Objektive müssen sich immer auch dem Vergleich zu alternativen Modellen unterziehen. Im Telebereich für E-Mount gibt es da aber nicht so furchtbar viele Alternativen. Das Sony SEL 70350 G OSS zählt schon zu den günstigen Teleobjektiven. Von Sony selbst gibt es:
- Sony E55-210mm F4,5-6,3 OSS: die Alternative für den kleinen Geldbeutel. Ein kleines, leichtes Tele mit Bildstabilisator. Für den Anfang vielleicht ausreichend, aber wer ernsthaft Tiere oder Sport fotografieren will, kommt hiermit nicht weit. Dafür günstig: unter 300 Euro.
- FE 70-300mm F4,5-F5,6 G OSS: ist eine ähnliche Variante wie das hier getestete, nur für Vollformat. Ich hatte es nicht im Test, es soll jedoch von der Bildqualität etwas schlechter sein. Außerdem schwerer und teuer.
- FE 200-600mm F5,6-6,3 G OSS: ein Vollformat-Objektiv mit sehr viel Brennweite. Jedoch nicht besonders lichtstark und mit knapp 2.000 Euro auch teuer.
- FE 100-400mm F4,5-5,6 GM OSS: das G Master Objektiv bietet sicherlich hervorragende Qualität und ist auch etwas lichtstärker. Jedoch will das mit rund 2.500 Euro auch bezahlt sein.
- FE 600mm F4 GM OSS: bestimmt ein super Teil, aber wer hat eben mal 13.999 Euro (UVP) übrig?!
- FE 70-200 F2,8 GM OSS: der Vollständigkeit halber führe ich natürlich auch das 70-200 F2,8 auf. Hier erhält man eine hervorragende Bildqualität und tolles Bokeh. Für weit entfernte Motive reichen 200mm jedoch nicht und der Preis von knapp 3.000 Euro ist gepfeffert.
Der Vergleich zeigt, dass es von Sony nicht wirklich eine Alternative gibt. Das Objektiv E70-350 F4,5-F6,3 G OSS füllt die Lücke zu den teureren Brüdern und stellt ein (im Vergleich) günstiges, leichtes, handliches und gutes Teleobjektiv dar. Ein Vorteil der Sony-Alternativen ist, dass diese teilweise mit den vorhandenen Telekonvertern kombiniert werden können.
Wenn man sich auf Objektiv-Adapter einlassen will, gibt es noch diese Alternativen von Sigma:
- Sigma 100-400 F5-6,3 DG OS HSM: das Sigma hatte ich mit Canon-Mount im Test und per Adapter an meine Sony-Kamera angeschlossen. Es war deutlich schwerer und der Autofokus funktionierte zwar gut, aber nicht so gut wie der vom Sony. Mein Testbericht folgt. Achtung: Mittlerweile gibt es die Linse auch für E-Mount, somit ohne Adapter zu verwenden.
- Sigma 150-600 F5-6,3 DG OS HSM Contemporary / Sports: ist der Klassiker wenn es heißt: viel Brennweite und trotzdem bezahlbar. Gute Objektive, aber nur mit Adapter nutzbar. Wiegt jedoch schon 2kg. Und kostet ca. 900 Euro, Sports-Variante nochmal deutlich mehr.
- Passender Adapter: Sigma MC-11 (mein Testbericht folgt) für ca. 220 Euro
Doch der stärkste Konkurrent wird das Sigma 100-400 für E-Mount sein. Leider konnte ich es bisher nicht testen, sondern nur die Variante mit Canon-Bajonett (mein Testbericht folgt). Doch auch die E-Mount Variante ist fast doppelt so schwer wie die Sony-Linse und damit für mich persönlich keine Alternative.
Fazit zum Test des Sony SEL-70-350
Sony bietet mit dem SEL-70350 G OSS ein tolles Teleobjektiv mit guter Bild- und Abbildungsqualität an. Das im Vergleich sehr geringe Gewicht und die Größe bei der gebotenen Brennweite sind weitere Pluspunkte. Dass der Preis weit unter 1.000 Euro liegt, ist sicher auch ein Vorteil. Klar sind knapp 800 Euro auch nicht wenig, aber für ein Teleobjektiv dieser Qualität noch akzeptabel.
Einziger „Nachteil“ ist, dass es sich um ein APSC-Objektiv handelt. Vollformat-Nutzer muss das jedoch nicht unbedingt stören. Denn die Sony-Vollformat-Kameras lassen sich auch in einen APSC-Modus umschalten. Dann verschwinden die schwarzen Bildränder und das Glas kann vollumfänglich genutzt werden. Der Vorteil dabei ist, dass auch der Vollformat-Nutzer nun auf die Brennweite von 70-350mm zurückgreifen kann und damit nahe an seine Objekte heran kommt.
Wer ein gutes und bezahlbares Teleobjektiv für Sony-Kameras unter 1.000 Euro sucht, der kommt am 70-350mm wohl kaum vorbei. Ich kann es ruhigen Gewissens sehr empfehlen.
Benutzt Du auch ein Teleobjektiv? Wenn ja, welches und wie zufrieden bist du damit?
Josef Trittenbass
Hallo Sebastian
Toller Artikel….Der Falke ist aber ein Rotmilan..
Habe dieses Tele auch gekauft..
Sonst alles ,paletti..
Gruss..Sepp
Sebastian
Hi Josef, danke für den Hinweis! Habe das oben korrigiert. Mit dem Erkennen von Vogelarten tue ich mich noch sehr schwer…
Viel Spaß mit deinem Tele-Objektiv!
Sandra
Hallo Sebastian
Danke für den Artikel. Ich habe mir das Objektiv auch gegönnt. Die ersten Bilder haben mich schon überzeugt , allerdings rastet das Objektiv an meiner Sony A6000 nicht wirklich ein. An der Alpha 7 II ist es aber ok. Wie ist deine Erfahrung an der A 6000er?
Sebastian
Hallo Sandra, nein das kann ich nicht bestätigen. Bei meiner A6000 rastet das Objektiv einwandfrei ein. Kürzlich habe ich es an einer A7III benutzet, und auch dort ließ es nicht problemlos anbringen.
Kleiner Tipp: manchmal hilft es, den Knopf zum Entrasten des Objektivs zu drücken, während du das Objektiv anschraubst. Probiere das mal aus!
Schöne Grüße, Sebastian